Mai 2010 Umweltbrief.org Atomstrom blockiert Ökostrom ____________________________ Die schwarz-gelbe deutsche Bundesregierung will Atomkraftwerke noch länger laufen lassen – trotz der bekannten Risiken, der ungelösten Probleme und der zahlreichen Beinahe-Unfälle. Die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe, vor allem des Erdöls, weckt Hoffnungen, dass sich eine Energiewende zwangsläufig durchsetzt. Aber warum sollten die großen privaten Energiekonzerne – E.on, Vattenfall, RWE und EnBW – bei steigenden Preisen massiv in erneuerbare Energien investieren? Warum sollte ein Konzern auf eigene Rechnung neue Technologien erforschen? Richtschnur ist nur der kurzfristig zu erzielende Profit statt die Zukunft der Menschheit. Die Energieversorger halten daher an Kohlekraftwerken und Atomstrom fest. Längere AKW-Laufzeiten sind Milliardengeschenke für die großen Energiekonzerne, die mehr als 80% der Kraftwerksleistungen kontrollieren. So wird der tatsächliche Wettbwerb bei der Stromerzeugung gezielt verhindert. Mehr Atomstrom heißt also zwangsläufig weniger Ökostrom – schon weil die Netze dann schnell überlastet sind. Oft müssen Windräder vom Netz, weil zuviel Atom- und Kohlestrom fließt, obwohl die Gesetze vorsehen, dass die Erneuerbaren bei der Stromeinspeisung Vorfahrt genießen. Die Realität wird jedoch vom alten Energiekartell dominiert, das andere Interessen hat. Längere AKW-Laufzeiten verhindern auch notwendige Investitionen in Erneuerbare Energien. Zwei Tage vor dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erlebte die Bundesrepublik bzw. die schwarz-gelbe Atompolitik mit fast 150.000 Menschen auf der Straße einen der größten Anti-AKW-Proteste ihrer Geschichte. Wir brauchen keinen Atomstrom. Mit den richtigen Investitionen können wir bis 2020 bereits 100% unseres Stroms aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Geothermie in Kombination mit Schwarmstrom gewinnen. Politiker, die dennoch gegen den Atomausstieg sind, müssen also entweder sagenhaft dumm oder aber extrem korrupt sein. AKW-Störfall-Karte von GLOBAL 2000 __________________________________ Anlässlich des Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe am 26. April veröffentlicht die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 nun die erste Google-Map mit den Standorten aller europäischer Atomkraftwerke, die laufend die Zwischenfälle und Störfälle in den Atomkraftwerken dokumentiert. „Allein in Deutschland kommt es laut Bundesamt für Strahlenschutz durchschnittlich alle drei Tage zu einem Zwischenfall. In den vielen französischen Atomkraftwerken kommt es laut Autorité de Sûreté Nucléaire im Schnitt zu zwei meldepflichtigen Ereignissen pro Tag“, berichtet Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. Die Liste der meldepflichtigen Ereignisse und die Angaben zu den Störfällen unterscheidet sich von Land zu Land je nach Qualität der jeweiligen Strahlenschutzbehörden. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein schwerer Unfall durch technisches oder menschliches Versagen passiert – oder wieder ein Super-GAU wie 1986 in Tschernobyl“, so Uhrig. In der EU-27 betreiben 2008 15 der 27 Staaten Atomkraftwerke. Mit 146 Reaktoren stehen hier ungefähr ein Drittel der weltweiten Reaktoren. Mehr bei http://www.global2000.at/site/de/nachrichten/atom/jugendgegenatom/pressarticle-atom24.htm Zur AKW-Störfall-Karte: http://www.global2000.at/site/de/wissen/atom/atomeuropa Millionen Atomkraftgegner beziehen immer noch Atomstrom _______________________________________________________ Eigentlich müssten die PC und Fernseher von Atomkraftgegenern alle mit Ökostrom laufen. Schwer vorstellbar, dass ein Vegetarier jeden Tag zum Metzger geht und Fleisch kauft. Die vier unabhängigen Ökostromunternehmen Greenpeace Energy, Elektrizitätswerke Schönau (EWS), Naturstrom und Lichtblick, die von den Umweltverbänden empfohlen werden, haben im Moment immer noch weniger als eine Million Kunden (nur 8%). Also: Millionen von Atomkraftgegnern beziehen in der eigenen Wohnung immer noch Atomstrom! Warum bleibt der Volksentscheid mit der Stromrechnung bislang aus? "Natürlich wissen die Konsumenten um die eigenen Widersprüche", sagt Andreas Homburg, Professor für Wirtschaftspsychologie und Experte für Umwelthandeln. "Dann bringt der Hinweis auf Etikettenschwindel beispielsweise psychologische Entlastung. Das Argument, der Ökostrom sei ja gar nicht öko. Oder: wenn ich wechsle, bewirkt das ja politisch eh nichts. Wenn es gelingt, dem Einzelnen das Gefühl zu geben, hier Teil eines machtvollen Kollektivs zu sein, dann können durchaus viel größere Potenziale erschlossen werden", sagt er. Das größte Problem: der Glaube an die Konsumentenmacht sei im Strombereich bisher schwach. Wie die Landschaft der Stromversorgung künftig aussieht, liegt nicht allein in den Händen der Politik. Sie ist auch Summe vieler Einzelentscheidungen. Die guten Vorsätze vieler werden eigentlich nur durch das menschliche Phänomen der Wechselträgheit blockiert. Gerade jetzt wäre eine noch viel massivere Kündigungswelle ein kraftvolles politisches Signal. Ökostrom ist nicht oder kaum teurer, der eigentliche Wechsel im Internet schnell erledigt. Mehr bei http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/vegetarier-beim-metzger >>> Zum Test der echten Ökostrom-Anbieter: http://www.umweltbrief.org/neu/html/energietipp.html