Januar 2005 Umweltbrief.org + EU-Richtlinie Autoabgase 1999/30EG: Dieselautos raus, City-Maut + Mehr als zehntausend Tote jährlich durch Rußpartikel + Partikelfilter als Edelmetallfresser + Traffic Day - Mobilität für die Zukunft EU-Richtlinie Autoabgase 1999/30EG: Dieselautos raus, Straßensperren, City-Maut _____________________________________________________________________ Jahrelang haben deutsche Städte Schadstoffgrenzwerte ignoriert. Ab Januar zwingt die EU sie zur Einhaltung. Nun drohen Fahrverbote. Jeder Satz des Referenten auf der ADAC-Fachtagung ließ die Gesichter der versammelten Verkehrsexperten länger werden. Vom Rückbau innerstädtischer Straßen sprach der Mann, von Ausweitung der Tempo-30-Zonen und gar von zeitweiligen Fahrverboten. Diese verkehrspolitische Wirklichkeit der kommenden Jahre wird von sechs Zahlen und zwei Buchstaben definiert: 1999/30EG. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine Richtlinie der Europäischen Kommission, die ab Januar verbindliche Grenzwerte für Feinstäube, wie Rußpartikel aus Dieselfahrzeugen, vorschreibt. Nur an höchstens 35 Tagen im Jahr darf der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm Staub in einem Kubikmeter Luft überschritten werden. Fünf Jahre später muss dann zudem der Ausstoß von Stickstoffdioxid drastisch verringert werden. Auch bei diesem Schadstoff gehören Pkw und Lastwagen zu den Hauptübeltätern. Was auf den ersten Blick recht abstrakt erscheint, dürfte gravierende Auswirkungen auf den Autoverkehr besonders in den Großstädten haben. Um die EU-Richtlinie zu erfüllen, werden Verkehrsplaner wohl Straßen oder ganze Viertel zeitweise sperren müssen, sie werden Dieselautos aus den Städten fern halten oder gar eine City-Maut einführen müssen - und einiges davon womöglich schon in nächster Zeit. Denn anders wird kaum ein Ballungsraum in Europa die neuen, verbindlichen Grenzwerte einhalten können. Das gilt für Mailand ebenso wie für Paris und Madrid oder eben für Berlin, München, Frankfurt am Main und Hamburg. Wie schnell das Szenario Wirklichkeit werden kann, machen 14 Luftreinhaltepläne deutlich, die seit Ende Oktober beim Umweltbundesamt liegen. Nahezu alle Ballungsräume in der Republik mussten - so sieht es die EU-Richtlinie vor - ein solches Papier vorlegen, weil sie schon die Grenzwerte von 2002 mit deutlich höheren Toleranzmargen überschritten hatten. Und alle Pläne listen als Weg aus der Krise Verkehrsbeschränkungen auf. Nur so lässt sich ein Vertragsverletzungsverfahren, lassen sich teure Strafzettel aus Brüssel vermeiden. Der Deutsche Städtetag hat in einem Arbeitspapier zusammengefasst, was auf die Autofahrer zukommen kann. Die Vorschläge reichen von der gezielten Förderung von Bussen und Straßenbahnen bis hin zur Reduzierung von Parkplätzen und zeitlich beschränkten Fahrverboten etwa an verkaufsoffenen Samstagen - vor allem in den Zentren der Städte. "Bereits an den Einfallstraßen", so der Städtetag, sollten an Tagen mit viel Verkehr "Beschilderungen mit dem Text 'Innenstadt gesperrt wegen Luftverunreinigungen' angebracht werden". Welche Brisanz in derartigen Zwangsmaßnahmen steckt, haben auch die Bundesländer erkannt. Im Juni verabschiedete der Bundesrat auf Initiative von Baden-Württemberg eine Entschließung, in der die Bundesregierung zur Intervention in Brüssel aufgefordert wird. Sie solle sich "angesichts der Schwierigkeiten bei der fristgemäßen Einhaltung der Grenzwerte" für eine "Verlängerung der Einhaltungsfristen" einsetzen. Die Grenzwerte sollten zudem "einer Prüfung" unterzogen werden - die Länder wollten weniger harsche Regelungen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin jedoch winkte ab, die betroffenen Städte werden um unpopuläre Entscheidungen wohl kaum herumkommen. "Es besteht kein Spielraum, von einer Durchführung der Maßnahme abzusehen", so Trittins Experte Lahl auf der ADAC-Fachtagung. Ab 1. Januar können durch die EU-Vorschrift zudem Anwohner viel befahrener Straßen, die ständig Dieselruß einatmen müssen, für reine Luft vor deutsche Verwaltungsgerichte ziehen - ebenfalls ein Novum. Der Deutsche Städtetag rechnet denn auch mit einer Klageflut. Seit Wochen bereiten Umweltverbände in der gesamten Republik schon die Klagen vor. Anwälte, die auf Umweltrecht spezialisiert sind, feilen bereits an Schriftsätzen. Noch im Januar wird sich wohl das erste Mal ein Verwaltungsgericht mit den Folgen der EU-Richtlinie beschäftigen müssen. Dann will ein Berliner Bürger, unterstützt von der Umweltorganisation BUND, die Hauptstadt auf bessere Luft verklagen. Und seine Chancen sind gut: An Berliner Innenstadtschneisen wie der Frankfurter Allee werden seit Jahren die Grenzwerte bei Rußpartikeln überschritten. Und dass die so genannten Feinstäube nicht nur unangenehm, sondern vor allem extrem gesundheitsgefährdend sind, ist unter Wissenschaftlern unumstritten. Staubpartikel, die nur 0,1 Mikrometer groß sind, können bis in die Lungenbläschen vorstoßen und in die Blutbahn gelangen. Als besonders giftig stufen Experten Partikel aus Dieselmotoren ein, sie gelten als Lungenkrebserreger. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes sterben hier zu Lande pro Jahr 14.000 Menschen an Krankheiten, die durch Dieselabgase verursacht werden! Dabei ist es keineswegs so, dass deutsche Großstädte die Gesundheitsgefahr verkennen. Nur passiert ist bisher wenig. Wann immer Umweltreferenten ihre Mahnung in den Stadtparlamenten der Republik vortrugen, es wurde wohlwollend genickt. Aber kaum eine Stadt handelte. Verkehrsplaner verwiesen auch gern auf die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie, die Probleme von heute zu Lösungen von morgen macht. Und die Vergangenheit schien ihnen auch Recht zu geben. Vor 20 Jahren lagen Ballungsräume oft unter einer Abgasglocke. Die Hoffnung heutzutage liegt auf dem Rußpartikelfilter, der Dieselabgase reinigt. Doch bei dieser Technologie liegen die Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weit zurück. Erst im Sommer haben die Autokonzerne ihre Bereitschaft zur Umweltschutzaufrüstung erklärt. Bisweilen nur auf sanften Druck. So musste Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) erst damit drohen, beim Dienstwagen auf einen "umweltfreundlichen Franzosen" umzusteigen, bis der Lieferant Audi einlenkte. Höhns neuer Dienstwagen kommt nun wieder aus Ingolstadt, aufgerüstet mit einem erst seit kurzem von Audi angebotenen Rußpartikelfilter. Die neue Staatskarosse kann auch mit Biodiesel betankt werden, der deutlich weniger Feinpartikel enthält als Diesel aus fossilen Brennstoffen. Da dieser Kraftstoff aus Raps zudem eine ausgeglichene Kohlendioxid-Bilanz aufweist, will Höhn den Anteil am Verbrauch von jetzt bundesweit 2% auf 25 bis 30% steigern: Die Beimischung von Biosprit in herkömmlichen Diesel möge auf EU-Ebene Pflicht werden. Darüber hat Höhn bereits Gespräche mit Bundesregierung und EU-Kommission geführt. Doch selbst wenn Höhn sich mit ihrer Idee durchsetzen sollte, dürfte das dauern. Als schneller Weg aus der Schadstofffalle gilt im Höhn-Ministerium ein Versuch in der Stadt Hagen. Dort wird ab kommendem Jahr ein "dynamisches Verkehrsleitsystem" erprobt: In einem Großrechner werden Daten zum Verkehrsaufkommen und zur Schadstoffbelastung gesammelt. Das System kann dann mit Leuchttafeln automatisch bestimmte Straßen zum Beispiel für Lkw sperren, wenn die Luft zu dick wird. City-Maut: Für Joachim Lorenz, Umweltreferent in München, hat die gebührenpflichtige Einfahrt in die Innenstadt, wie sie in London und Singapur bereits praktiziert wird, dagegen viel Charme: "Wir beobachten die Erfahrungen sehr genau." Und auch sein Augsburger Kollege Thomas Schaller ist nicht abgeneigt. "Wenn die Schadstoffreduzierung nur über eine City-Maut geht, dann muss das auch deutlich angedroht werden." Mehr bei http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,330927,00.html Mehr als zehntausend Tote jährlich durch Rußpartikel ____________________________________________________ Zwischen 10.000 und 19.000 Menschen müssen in Deutschland jedes Jahr vorzeitig sterben, weil die deutsche Autoindustrie sich geweigert hat und zum Teil noch immer weigert, Rußfilter in Dieselautos einzubauen, sagt der Berliner Umweltmediziner und Toxikologe Heinz-Erich Wichmann. Lkw verbrennen mit schlechterer Technik ein Mehrfaches an Diesel als die Pkw-Flotte! Selbst die zukünftigen Grenzwerte entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik. Das beklagt mobilogisch, die Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung. Mehr bei http://www.sonnenseite.com/fp/archiv/Akt-News/5733.php http://www.umweltdialog.de/vtest.asp?id=1684 Partikelfilter als Edelmetallfresser ____________________________________ Der Partikelfilter ist nicht nur wegen seiner ungenügenden Funktion, sondern auch wegen des zusätzlichen Verlustes von Edelmetallen an die Umwelt nicht nur funktional und ökologisch, sondern auch volkswirtschaftlich eine Fehlkonzeption. Zu diesem Urteil kommt der Forscher Gerhard Fleischhacker von CEF-Austria. Der Partikelfilter ist ebenso wie auch Abgaskatalysatoren nicht effizient zu recyceln. Nur 35% der Edelmetalle lassen sich effektiv wieder zurückgewinnen. Fachmedien haben erst kürzlich davon berichtet, dass im Jahr 2003 weltweit ca. vier Mrd. Dollar Edelmetalle und Edelstahl für die Produktion von Abgaskatalysatoren verwendet wurden. Davon gehen 65% für immer verloren. Mehr bei http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=041203018 http://www.cefaustria.at Traffic Day - Mobilität für die Zukunft _______________________________________ Die EU-Osterweiterung, der Boom im Versandhandel, lagerlose Just-in-Time-Produktion und der Trend zu höherer Mobilität in der Freizeit belasten die Verkehrsnetze in Deutschland bereits bis an ihre Grenzen. Strasse, Schiene, Wasserweg und Luftraum sind nicht beliebig vermehrbar. Zukunftsweisende Lösungen für eine sichere, vernetzte und umweltverträgliche Mobilität zeigen Fraunhofer IGD und ZGDV im Rahmen des ersten "Traffic Day" im Frühjahr 2005. So ermöglicht beispielweise der Einsatz von intelligenter IT-Unterstützung, kombiniert mit neuen, interaktiven Kommunikationstechniken, vielfältige Anwendungen im Verkehrssektor: Von Werkzeugen zur Verkehrsadministration über Simulationen von Verkehrströmen in Ballungsgebieten bis hin zu komplexen und effizienten Informationssystemen. Auch Katastrophen-Management und innovative Kontrollsysteme sind unverzichtbar für eine leistungsfähige, integrierte Verkehrsinfrastruktur. Mehr bei http://www.traffic-day.de