Juni 2002 Umweltbrief.org Die Impfstoffe der nächsten Generation wachsen in transgenen Pflanzen _____________________________________________________________________ von Herbert Hasenbein Der jüngste Triumph der Gentechnik lässt die armen Länder der Welt hoffen. Zugleich beginnt die Gratwanderung zwischen medizinischem Nutzen und der sprichwörtlichen Dose der Pandora. "What we have been trying to do in general is to produce a number of subunit vaccines in transgenic plants and, rather than inject them, feed them orally to animals or humans," so John Howard (jhoward@prodigene.com), Gründer von ProdiGene Inc., einer privaten Firma, die sich der Neuentwicklung von Impfstoffen verschrieben hat. Aktueller Anlass ist die Diskussion um den HIV-Impfstoff, dessen Durchbruch immer noch aussteht. Für ProdiGene greifbar sind hingegen Vakzine gegen Enterotoxine, Reisediarrhoe und Hepatitis-B. "Seuchen der Unkultur" heißen diese und noch mehr Infektionen, die aus unzureichender Hygiene, vornehmlich durch unsauberes Trinkwasser, geboren werden. Das betrifft nach neueren Schätzungen nahezu 80 Prozent der Krankheiten in der Dritten Welt. Kein Wunder also, dass die nächste Jahrestagung der WHO (www.who.com) darin ein drängendes Thema sieht und mittelfristig wirksame Verbesserungen einfordert. ProdiGene Inc. forscht seit fünf Jahren und bietet "Plant-based vaccines: a unique advantage". Unter diesem Titel erschien vor wenigen Monaten im medizinischen Journal Vaccine der erste wissenschaftliche Einblick. Seit Beginn des Jahres häufen sich die Meldungen, weil die Vorversuche erfolgreich abgeschlossenen werden konnten. Trotz des unkonventionellen Weges bleiben die Forscher auf vertrautem Boden. Impfstoffe sind, wenn man ihre Bedeutung auf die chemische Struktur reduziert, Eiweißkörper, die den Erreger imitieren und bei Mensch und Tier die körpereigene Abwehr in Gang setzen. Bisher werden dazu lebende tierische (oder menschliche) Individuen quasi als Transmissionsriemen benutzt: die immunogene Komponente muss vervielfältigt und in ausreichender Konzentration gewonnen werden. Lebende Karnickel wurden, falls geeignet, zeitweise zur bevorzugte Rasse, weil sie sich sprichwörtlich rasch und ausgiebig vermehren. Der smarte Schritt ist zur Verkettung glücklicher Umstände geworden. "We can introduce multiple antigens in the same plant without any effect like loss of yield on the plant. We have put up to five genes in the same plant without running into the limits of what can be introduced into the same transgenic plant" (John Howard) Und schließlich der Clou: "Yeast or bacterial systems are really designed to reject a foreign protein. The corn seed is not." Keine Fehlreaktion also, und kein Widerstand durch die überschießende Immunantwort. Auch unerwünschte Infektionen oder der unerwartete Tod des Zwischenträgers sind nicht zu befürchten. Deshalb werden die ProdiGene Forscher von Anfragen zum HIV-Impfstoff geradezu überhäuft. Die Produktion fußt auf herkömmlichen und damit gut vertrauten Verfahren. So meint das Bild von den Cornflakes die optimale Mischung der für den Impfeffekt notwendigen Antigene von verschiedenen Pflanzen. Noch eleganter und ebenfalls in der Pipeline ist die Veredelung der Pflanzen: die passenden Impfkomponenten werden gekreuzt, oder auf eine zuvor optimierte Trägerpflanze werden ein oder mehrere Triebe aufgepfropft. Die Verbindung der Gentechnologie mit dem traditionellen bäuerlichen Handwerk funktioniert. Was bringt es den Ländern der Dritten Welt? Die konventionellen Impfstoffe müssen im Kühlschrank lagern und verfallen selbst unter diesen Bedingungen nach wenigen Jahren. Quer durch Afrika oder Asien gibt es keine lückenlosen Kühlketten, und die rudimentären Transporte kosten mehr als der Impfstoff wert ist. Ganz anders Mais- oder sonstige Gertreidekörner. In Säckenmverfrachtet sind sie unempfindlich, nahezu unbeschränkt haltbar und dazu kommt, dass die Impfstoffe in Silos bevorratet werden könnten. Falls das Korn auskeimt? Der richtige Boden und ein wenig Geduld. Mutter Natur hilft bei der Vervielfältigung und erzeugt den nächsten Samen von gleichbleibender Wirksamkeit. Mehr bei http://www.ProdiGene.com http://www.elsevier.com/inca/publications/store/3/0/5/2/1 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/12433/1.html