Januar 2006 Umweltbrief.org Lichtverschmutzung! ___________________ Künstliche Beleuchtung bedeutet einen Eingriff in die natürliche Umwelt, die vom Wechsel von Tag und Nacht geprägt ist. Physikalisch ist es eine Lichtemission, ein hoher Anteil der Strahlung geht ungehindert in die Atmosphäre. Dabei wird das Licht an den feinen Partikeln und Molekülen der Atmosphäre so gestreut, dass der Himmel über den Städten zu glühen scheint, ein Phänomen, das man Lichtglockenbildung nennt. Astronomen in den 70er Jahren bezeichneten diese Himmelsaufhellung erstmalig als Lichtverschmutzung (light pollution), denn sie mindert den Himmelskontrast bei Nacht und schränkt die freie Sicht auf den Sternenhimmel ein. Wissenschaftler der Universität Padua kommen zu dem Schluss, dass die Lichtpegel in Ballungszentren und entwickelten Zonen der Erde dramatisch ansteigen. Neben den sichtbaren Effekten belastet die Lichtproduktion die Atmosphäre durch die CO2-Emissionen aufgrund des Energieverbrauchs. Sparsamer Lichtgebrauch hilft also beim Klimaschutz! Vögel und Insekten werden gestört: Künstliches Licht beeinflusst das Leben vieler Organismen, insbesondere der Tiere. Unter ihnen sind wiederum vor allem Vögel und Insekten betroffen. Langzeituntersuchungen in Großbritannien zeigen in den letzten Jahrzehnten eine stark abnehmende Insektenfauna. Viele Beobachtungen sprechen dafür, dass künstliche Beleuchtung die Entwicklung verstärkt. Gegen beleuchtete Bohrinseln auf See prallen die Vögel häufig wie im Blindflug. Erleuchtete Wolkenkratzerfassaden können in einer Nacht zur Todesfalle tausender Tiere werden, besonders wenn bei ungünstigen Wetterlagen die Sicht zum Himmel behindert ist. Dies schreckte die Öffentlichkeit auf, mittlerweile gibt es in Städten wie New York, Chicago und besonders Toronto Abschaltprogramme für die Beleuchtung von Wolkenkratzern während der Vogelflugzeit. Auch in Deutschland wurde punktuell reagiert, so wird etwa das weithin sichtbare Bayerkreuz in Leverkusen während der Vogelflugzeit abgeschaltet. Seither hat sich die Zahl der toten Vögel dort drastisch reduziert. Menschliches Immunsystem betroffen: Wenn Licht zum Stressfaktor für Tiere wird, wie sieht es dann für den Menschen aus? Auch hier verstärken sich die Anzeichen, dass fehlende Dunkelheit in der Schlafphase zu Fehlfunktionen im Immunsystem führen kann. Über Photorezeptoren in der Retina unseres Auges wird die Ausschüttung des Hormons Melatonin angeregt, der Vorgang ist Teil des körpereigenen "Timing Systems". Vor allem auf zellulärer Ebene soll Melatonin Reparaturmechanismen im Stoffwechsel steuern. Ein weiteres Problem der Lichtbiologie behandelt die Adaptationsfähigkeit des menschlichen Auges bei stark wechselnden Lichtintensitäten. Unser Auge kann sich binnen weniger Sekunden von dunkel auf hell umstellen, eine Anpassung von hell nach dunkel dauert hingegen mehrere Minuten. Blendung durch helles Licht verstärkt diesen Effekt, unsere Augen müssen sich länger bemühen und das braucht wiederum Zeit. Würde man die Lichtkontraste von vornherein verringern, wäre es für das Auge leichter sich anzupassen. Kleine Änderungen mit großer Wirkung: Lichtverschmutzung kann häufig schon durch einfache Maßnahmen verhindert werden. Für jede Lichtinstallation sollte man hinterfragen, ob sie überhaupt notwendig ist. Weiter ist zu überlegen, wie viel Licht für welchen Zweck gebraucht wird, welche Beleuchtungsstärke und für welchen Zeitraum. Oft ist Intervallbetrieb möglich oder es lassen sich Bewegungsmelder integrieren. Nach Möglichkeit sollten Leuchten eingesetzt werden, deren vertikale und seitliche Abstrahlung abgeschirmt wird. Man findet sie zum Beispiel auf neu angelegten Bahnsteigen installiert, wo sie blendfrei nur die Bodenfläche ausleuchten. Aber auch viele Kommunen installieren mehr und mehr diese als "Cut off-Leuchten" bezeichneten Lichtquellen. Sie ermöglichen auch die gerichtete Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten mit geringster Vertikalemission. Daneben helfen effizientere Leuchtmittel wie Natriumdampflampen den Energieverbrauch zu senken. Sie locken deutlich weniger Insekten an und verfügen über eine hohe Lichtausbeute. Mehrere Regionen in Italien und Spanien sowie die tschechische Republik haben Gesetze eingeführt, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Danach dürfen keine Leuchten installiert werden, die das Licht ungenutzt nach oben in den Himmel lenken. Zudem ist die Leuchtdichte strahlender Flächen begrenzt. Von der EU sind bislang in langjährigen Verhandlungen Normen für die minimalen Beleuchtungsstärken erarbeitet worden, auf dem "5. Europäischen Symposium zum Schutz des nächtlichen Himmels" im belgischen Genk wurde in diesem Jahr darüber hinaus gefordert, obere Grenzwerte zu definieren. Dass solche Regelungen keineswegs einer wirtschaftlichen Entwicklung schaden, zeigen die Kanareninseln Teneriffa und La Palma. Dort wurden zum Schutz der Sternwarten strenge Richtlinien für die Außenbeleuchtung erlassen. Licht bedeutet nicht nur Freude und Nutzen, es ist ein folgenreicher Eingriff in die Umwelt. Der umweltgerechte Umgang mit Licht sollte langfristig als Umweltqualitätsziel definiert werden. Mehr bei http://www.oekom.de/nc/zeitschriften/punktum/aktuelles-heft.html?artikel_id=1193 http://www.nfi.at/dmdocuments/PP_Lichtverschmutzung_Feb2010.pdf