Oktober 2003 Umweltbrief.org Beseitigung von Massenvernichtungswaffen. _________________________________________ Russische Atom-U-Boote dümpeln einer Weltkatastrophe entgegen. Russland hat 52 strategische sowie 140 multifunktionelle U-Boote stillgelegt, sowie 44 sonstige atomgetriebene Schiffe. Die meisten strategischen U-Boote (45) sind demontiert, indes nur 1/3 der übrigen Unterseeboote. 5 Frachter oder Eisbrecher stehen gegenwärtig zur Demontage an. Die Zahlen verraten nichts über die prekäre Situation vor Ort. Beim Bau ihrer Boote dachte kein russischer Techniker an die spätere Entsorgung. So gibt es nun bei der Demontage viele Schwierigkeiten, die aus der Lage der Reaktoren und den Verhältnissen der nuklearen Ensemblage erwachsen. In der größten und nach russischen Maßstäben modernsten Anlage, in Zvezdochka, haben 10.000 Arbeiter seit sieben Jahren 19 Unterseeboote zerlegt. Und doch ist es Bruchwerk. 89 Reaktoren schwimmen als riesige, bis zu 1600 Tonnen schwere "Bojen" vor der russischen Küste, davon allein 57 in der Sayda Bay unweit Murmansk. Flüssige nukleare Abfallstoffe aus nahezu 21.000 Behältern wurden seit 1970 in der Andreeva Bay, 40 km von der norwegischen Grenze entfernt, zwischengelagert. Viele davon anfänglich in einem Kühlwassersee, der zunehmend radioaktiv verseucht ist, und später in Betonsilos, die wiederum korrodieren. Selbst wenn der Transport an den Atommüllplatz Mayak erfolgt sein sollte, bleiben riesige Mengen an radioaktiven Wasser, Betonbruchstücken und Metallteilen zurück. Erste Pläne, den Atommüll auf der nördlich des Polarkreises gelegenen Insel Nowaja Semlja einzufrieren, wurden inzwischen wegen der globalen Erwärmung verworfen. So ist jetzt die Halbinsel Kola vorgesehen. "Wir wollen den Abfall möglichst nahe an den Basen der Unterseeboote belassen", erklärte den Besuchern ein Vertreter der russischen Behörde Minatom (Ministry of Atomic Energy). Die unkalkulierbaren Gefahren heißen Rost und unsachgemäße Lagerung. Die über 70 Jahre alte "Lepse", ein früherer Eisbrecher, birgt erschreckende Mengen an Atommüll, zum Teil von der 1996 havarierten "Lenin". 260 kg angereichertes Uran, erquickliche Mengen an Plutonium, sowie Caesium-137 und Strontium-90 werden gezählt. Allein der flüssige Abfall von der "Lenin" enthält 28.000 Terabecquerel, anders ausgedrückt 60 Prozent der Radioaktivität, die in Tschernobyl freigesetzt wurde. Schlimmer noch: 1993 wurde ein Teil der "Lepse" ausbetoniert. Für die komplette Sanierung des russischen Atommülls werden 4 Milliarden Dollar veranschlagt. Das US Cooperative Threat Reduction Program (CRT) hilft in Kasachstan, Belutschistan, der Ukraine und Russland, und finanziert für Moskau mit knapp 500 Millionen Dollar das Ausschlachten von weiteren 25 U-Booten bis zum Jahr 2012. Falls der Rost nicht schneller ist. Echte Massenvernichtungswaffen: Anders als im Irak handelt es sich - einschließlich der zahlreichen russischen U-Boot Reaktoren, die auf dem Meeresboden liegen - um akut bedrohliche "Weapons of Mass Destruction", die leicht zu orten sind und unschädlich gemacht werden können. Das wäre zweifellos ein präventiver Schlag gegen Terroristen, weil sie sich nicht mehr der Quellen bemächtigen könnten. Anders als bei militärischen Anlagen sind viele nukleare Schrotthalden weder abgeschirmt, noch geschützt. Angesichts der bisherigen Kosten für den Irakkrieg und die vom amerikanischen Präsidenten George W. Bush geforderte neuerlichen Strukturhilfe in Höhe von 87 Milliarden Dollar wäre die Sanierung Russlands geradezu ein Almosen. Mehr bei http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15731/1.html