August 2008 Umweltbrief.org Vom Spritpreis zur globalen Rezession _____________________________________ Ein Liter Sprit kostet 1,60 Euro - für viele Autofahrer ein Grund zur Empörung; manche fackeln sogar aus Protest ihr eigenes Auto ab. US-Autofahrer beten bereits für billiges Benzin und Öl-Diebstähle nehmen zu. Angeblich ist in Großbritannien eine Epidemie des Benzinklaus aus Autos ausgebrochen. SUVs sind immer seltener gewünscht. Chrysler, Ford und General Motors müssen ihre Produktion radikal verkleinern und 15.000 Arbeiter entlassen. Doch das ist erst der Anfang, denn der Ölpreis wird jetzt kontinuierlich steigen, da Schwellenländer wie China und Indien täglich mehr Öl abnehmen. Die Aktienkurse dagegen fallen. Peak Oil ist erreicht und die Gesetzmäßigkeiten am Ölmarkt verändern sich dramatisch. Das ist nicht nur ein großes ökologisches Problem, es kann auch in die wirtschaftliche Katastrophe führen! Die Krise ist real: Schon jetzt ist der Punkt überschritten worden, an dem die große Nachfrage das Angebot an Öl übersteigt - die weltweite Ölförderung ist schon rückläufig. An diesem Punkt können dann die Ölpreise an den Börsen sprunghaft in die Höhe schießen. Matthew Simmons, Chef einer Investmentbank in Houston/Texas und Mitglied der Energie-Task-Force um Vizepräsident Dick Cheney sagt die Vervierfachung des Ölpreises voraus. Plötzlich müssen wir also eines Morgens feststellen, dass der Liter Sprit 3,20 Euro kostet. Natürlich steigen damit auch die Heizkosten (sowie Erdgas, Kohle, Strom) dramatisch an und die Preise für praktisch jede Dienstleistung, jedes Produkt (selbst Gemüse), denn alles muss transportiert werden. Eine Tomate oder Kartoffel legt im Schnitt 2.400 km vom Feld bis zum Supermarkt zurück. In den USA will der größte Einzelhandelskonzern, Wal-Mart, jetzt mehr regionale Produkte vermarkten. Kommt es zum Krieg gegen den Iran, kann der Olpreis schnell auf 300 bis 400 Dollar steigen! Und wie man die Börsen kennt, löst das schnell Aktien-Notverkäufe und weitere Kettenreaktionen aus... Der Preis für einen Esel stieg in ländlichen Gebieten Zentralanatoliens binnen eines Jahres von 26 auf 180 Euro. Der hohe Ölpreis würgt die Wirtschaft ab. Kaum jemand kauft dann mehr ein Auto oder kann sein eigenes noch betreiben, viele Fabriken müssen schließen, manche Branchen werden ganz aussteben (z.B. Speditionen, Billigflieger oder die träge Autoindustrie), es kommt zu steigender Inflation, Massenarbeitslosigkeit und sozialen Notständen, wenn dann die Steuereinnahmen auch versiegen. Unser Leben wird sich drastisch verändern! Auch sog. "Biosprit" (besser Agrosprit) ist keine Lösung, denn so viel Nachfrage würde nur zur Kostenexplosion bei den Nahrungsmitteln führen und die Hungerkrise noch verstärken. 20-50% des Preisschubs bei Lebensmitteln werden durch die Nachfrage nach Energiepflanzen verursacht. Die Agrarflächen sind ohnehin von Austrocknen bzw. Überschwemmung bedroht (Klimawandel). Und das Schlimmste daran ist: dieses Problem ist ein globales, denn leider sind alle Volkswirtschaften abhängig vom Öl. Je länger die Industriestaaten am Öltropf hängen, desto sicherer ist die Megakrise der Weltwirtschaft programmiert. Eine Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes schwebt über uns wie das Schwert des Damokles. Es ist keine durch ein willkürliches Embargo entstandene Krise, wie die "Ölkrise" von 1973; diese ist eine Ölversorgungskrise; sie entsteht durch wachsende globale Ressourcenknappheit bei zu wenig Ausbau wirklich erneuerbarer Energien. Das erhöht auch die Kriegsgefahr! Bereits jetzt führen die USA und China einen kalten Krieg um die Welterdölvorräte - bislang noch an den internationalen Börsen, bald jedoch vielleicht schon mit Waffengewalt. Wie kann die Energieversorgung angesichts schwindender fossiler Energieträger sichergestellt werden? Sicher nicht mit Atomkraft, denn diese Technik ist alles andere als sicher und nachhaltig. Auch die Endlagerung konnte bislang nicht geklärt werden. Der prognostizierte Anstieg des weltweiten Güterverkehrs wird ausbleiben, er wird schon in wenigen Jahren aus Kostengründen stagnieren. Produkte aus der Region werden gefragt sein. Wir brauchen also keinen Ausbau von Verkehrswegen, Flussvertiefungen, mehr und größere Flughäfen etc., sondern wir brauchen dringend und schnell den (geförderten) Ausbau von Umwelttechnologien, die sich vollständig aus erneuerbaren Energien speisen lassen! Hier sind Politik, Industrie und besonders die Verbraucher gefragt, die sich gemeinsam für diesen (einzig möglichen) Weg entscheiden und danach handeln. Wir müssen schon vermehrt darin investieren, wenn unser (auch wirtschaftliches) Leben weitergehen soll. Beziehen Sie denn wenigstens schon Ökostrom? Die Frage ist nicht, ob das Zeitalter von Öl, Kohle und Atomenergie zuende geht, sondern wann und wie das geschieht. Es geht also um den kompletten Umbau der Industriegesellschaft. Wer so lange wie möglich an seinem alten Geschäftsmodell festhält, wird untergehen. Wir brauchen eine neue Gründerzeit. Wir müssen das Öl verlassen, bevor es uns verlässt. Ab ca. 2020 könnten in Deutschland erneuerbare Energien zu 100% genutzt werden, wenn nur noch mehr darin investiert wird. Der beschleunigte und umfassend angelegte Wechsel zu Erneuerbaren Energien ist eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Existenzfrage. Gepaart mit innovativen Umwelttechnologien könnte das sogar den Wirtschaftsstandort sichern! Wenn nicht umgehend Maßnahmen ergriffen werden, wird der richtige Zeitpunkt verschlafen, auch wenn die alten Lobbys dafür jetzt bluten müssen. Nach dem Ölpreisschock ist es zu spät. Reagieren wir erst dann, hat niemand mehr Kaufkraft und die nötigen Investitionsgelder werden daher auch fehlen. Mehr zum Thema in unserem Spezial Ölpreisschock: http://www.umweltbrief.de/neu/html/oelschock.html